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Mit Kreativität und Können gegen Lebensmittelverschwendung

Raul Osorio

Raul Osorio betreibt Resteverwertung par excellence – ein Projekt, das er nach langer Zeit endlich realisieren konnte.

Es ist eine Geschichte wie aus einem Hollywoodstreifen: Vor 14 Jahren folgte der gebürtige Kolumbianer Raul Osorio seiner heutigen Frau in ihr Heimatland, die Schweiz. Hier begann er seine Karriere als Tellerwäscher mit einem Plan: Er wollte ein Studium an der Hotelfachschule absolvieren. Einige Jahre später, nach erfolgreichem Abhaken dieses Ziels und gesammelter Berufserfahrung, gründete Osorio sein erstes eigenes Unternehmen. «Empanadas & Co» beliefert die Gastronomie mit lateinamerikanischen Spezialitäten und Streetfood aus lokalen und saisonalen Schweizer Zutaten. Im Jahr 2018 dann, übernahm der mittlerweile 38-Jährige zusätzlich zu seiner eigenen Firma noch das St. Galler Teigwaren-Traditionsunternehmen Aemisegger. Gerüstet mit genug Erfahrung und der nötigen Infrastruktur, zog Raul Osorio im Oktober 2021 in den Kampf gegen Food Waste.

Karotten Pesto, Spargel Fond, Spargel Pesto

Unverkäufliches vom Feld erhält ein zweites Leben als lange haltbare Spezialität.

Aus krummer Süsskartoffel wird köstliche Suppe

«Ein Kollege von mir hat ein Schlachthaus», erzählt Raul Osorio auf die Frage, wie er auf die Idee kam, überschüssige Produkte von Landwirtinnen und Landwirten zu verwerten, «und eines Tages hat er bei mir geklagt, dass er immer unverkäufliche Fleischteile wegwerfen müsse». Die beiden starteten einen Versuch, bei dem sie aus ebendiesen Fleischresten Raviolifüllungen und Chicken Nuggets herstellten, die Osorio dann zu gebrauchsfertigen Produkten weiterverarbeitete, verpackte, vermarktete und verkaufte. Die Idee fruchtete, der Stein kam ins Rollen, ein Pilotprojekt wurde im Frühjahr 2021 lanciert: «Ich merkte, dass auch bei anderen Landwirtinnen und Landwirten das Bedürfnis besteht, etwas aus ihrem Food Waste zu machen», meint Osorio, «Zu grosse Zucchetti, zu hässliche Süsskartoffeln, alles, was der Grossverteiler ihnen nicht abnimmt, daraus machen wir Suppe, Sugo, Ravioli, Tempura, oder legen es ein. Kurz: Wir machen es lange haltbar und verkäuflich».
Das Pilotprojekt fand grossen Anklang, und so startete Osorio im Oktober 2021 offiziell mit seiner zündenden Idee der Resteverwertung durch. Landwirtinnen und Landwirte bringen ihre unverkäuflichen und überschüssigen Produkte zu ihm nach St. Margrethen und können sie 10- bis 14-Tage später in neuer, je nachdem gewünschter Form wieder abholen. «Wir kümmern uns auch um die Verpackung, die Etikettierung und das Marketing, unsere Lieferanten müssen eigentlich nichts tun und können sich auf ihren Betrieb konzentrieren», meint Raul Osorio stolz. Einen Teil der verwerteten Produkte behält er und verkauft sie im Aemisegger-Laden, den anderen Teil erhalten die Landwirtinnen und Landwirte, um sie beispielsweise im Hofladen oder Online anzubieten.

Aemisegger Teigwarenladen

Einblick in den Laden des St. Galler Teigwaren-Traditionsunternehmens Aemisegger.

Ein Herzensthema

Als Antwort auf die Frage, ob das Thema Food Waste ihm am Herzen läge, seufzt Raul Osorio schwer: «Weisst du, wenn man aus Kolumbien kommt, kennt man Hunger. Man sieht Hunger oder leidet selbst Hunger. Und Hunger treibt einen in den Wahnsinn.» Während seines Studiums in der Hotelfachschule sei er Zeuge einer nonchalanten, masslosen Essensverschwendung geworden. Daran möchte er sich auf keinen Fall beteiligen. Im Gegenteil, in den seltenen Fällen, in denen bei Aemisegger oder Empanadas & Co. etwas übrig bleibt, wird dies an gemeinnützige Organisationen wie beispielsweise Food Care Schweiz gespendet, oder vor dem Aemisegger-Laden gratis zum Mitnehmen ausgestellt.
Und wie geht es weiter mit dem Resteverwertungsprojekt? «Mein Traum wäre es, eines Tages die Grossverteiler mit unseren Saucen, Suppen und Spezialitäten zu beliefern. In einer Sauce spielt es nämlich keine Rolle, wenn die darin verarbeiteten Tomaten Dellen hatten. Und wenn wir schon dabei sind: Ich würde mir wünschen, dass die Konsumentinnen und Konsumenten offener gegenüber optisch weniger ansprechenden Produkten wären. Auch krumme Zucchetti schmecken gut.»

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