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Die Landwirtschaft kehrt zu ihren Wurzeln zurück

Aus alt mach neu: Der Agroforst hat in der Schweiz Tradition, und doch verschwand die Bewirtschaftungsform, bei der Bäume mit Acker- und Weideland kombiniert werden, über die Jahre fast vollständig aus dem Landschaftsbild. Das Bundesamt für Landwirtschaft möchte dieses Produktionssystem nun fördern.

Eine bäumige Sache

Die Idee ist nicht neu, aber sie bietet möglicherweise die Lösung für eine Landwirtschaft im (Klima-)Wandel: Der Agroforst. Der Name ist Programm, eine Kombination aus «Agro» (lat.: agricultura, also Landwirtschaft) und Forst (Forstwirtschaft, also Wald, der wirtschaftlich genutzt wird). Eine Bewirtschaftungsform, bei der eine Synergie zwischen Acker- und Weideland und Bäumen und Sträuchern geschaffen wird. Ein von Menschenhand geschaffenes Ökosystem. Dieses gesamtheitliche Prinzip schützt die Felder vor Wind und Wetter, mindert Bodenabtragung und verbessert den Wasserhaushalt und die Bodenfruchtbarkeit. Zugleich fördern die Bäume und Sträucher die Biodiversität und kompensieren CO2. Ein rundes System, das die Schweizer Äcker und Weiden fit für eine unsichere Zukunft machen könnte.

In der Schweiz hat Agroforst eigentlich Tradition: Die Wytweiden im Jura, Kastanienselven im Tessin oder die sogenannten «Hockäcker» im Kanton Thurgau sind gute Beispiele für den traditionellen Agroforst. Überhaupt existieren Agroforstsysteme sehr viel länger als die neuartige Bezeichnung dafür. Einige davon sogar bereits in der Jungsteinzeit. Bis ins 19. Jahrhundert konnte sich der Agroforst als fester Teil der Landwirtschaft halten. Mit der zunehmenden Technisierung des Anbaus mussten die Bäume dann allerdings den Maschinen weichen. Nun, im Angesicht der Wetterschwankungen, die der Klimawandel mit sich bringt, erobern sie sich Stück für Stück die Schweizer Acker- und Weidelandschaft zurück.

Feld des Agroforst-Betriebs La Vignettaz im Ortsteil Montherod der Gemeinde Aubonne. © Susanne Goldschmid/BAF

Feld des Agroforst-Betriebs La Vignettaz im Ortsteil Montherod der Gemeinde Aubonne. © Susanne Goldschmid/BAFU

Land mit System

«Heute spricht man von Agroforst. Ich habe damals einfach Bäume gepflanzt», sagt Pius Strickler-Gwerder. Zusammen mit seiner Frau Doris bewirtschaftet er die BioOase, einen Hof in der hügeligen Moränenlandschaft zwischen der Lorze und der Sihl im Kanton Zug. 1998 begann er mit dem Pflanzen von Baumreihen entlang seiner Felder. Und beteiligte sich damit früh an etwas, das aktuell laut Sonja Kay von Agroscope, dem Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung, einen Boom erlebt: Der moderne Agroforst.

«Am Boden ist das Gras, in der Mitte das Getreide und oben das Baumobst», sagt Strickler, «wir haben also auf der gleichen Fläche drei nutzbare Stufen». Die Chnächtlischwand der Familie Strickler ist ein sogenanntes sylvoarables Agroforstsystem. Das bedeutet, dass Pius und Doris den Anbau von Bäumen und Sträuchern auf derselben Fläche mit Ackerbau kombinieren.

Für moderne sylvoarable Systeme eignen sich eine Vielzahl verschiedener Anbaustrukturen. Die wohl beliebteste – und auch von Stricklers genutzte – ist das sogenannte «Alley Cropping». Dabei kombiniert man parallel ausgerichtete Baumreihen mit dazwischenliegenden Ackerkulturen und Feldstreifen. Die tieferen Wurzeln der Bäume lockern den Boden, während das dichte Blätterdach die Kulturpflanzen zugleich vor zu starkem Regen, zu starker Sonneneinstrahlung und zu starkem Wind schützt.

Die Naturwiese mit Edelkastanienbäumen (Castanea sativa), auch Esskastanie oder Echte Kastanie genannt. @ Susanne Goldschmid/BAFU

Die Naturwiese mit Edelkastanienbäumen (Castanea sativa), auch Esskastanie oder Echte Kastanie genannt. @ Susanne Goldschmid/BAFU

Würde man den Acker eines sylvoarablen Systems nun durch eine Tierweide ersetzen, spräche man von einem sylvopastoralen System. Die verbreitetsten Strukturen dieser Form sind die sogenannten halboffenen Weidelandschaften oder die Streuobstwiesen. Die Nutztiere profitieren dabei unter anderem vom Schutz und Schatten der Bäume, während sie wiederum die Bäume vor Schädlingen und der Konkurrenz durch Unkraut schützen und die Bodenfruchtbarkeit verbessern.

Agro4esterie – back to the roots

«Es tut sich etwas – und das hat Zukunft», sagt Pius Strickler-Gwerder über die moderne Agroforstwirtschaft. Und er hat recht: Aktuell werden 9 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Schweiz agroforstlich bewirtschaftet – Tendenz steigend. 20 Hektaren davon gehören Pius und Doris Strickler-Gwerder, die bereits vor 24 Jahren mit der Umstellung auf ein Agroforstsystem begannen. 140 weitere Betriebe sollen es ihnen nach der Lancierung eines Projekts des Bundesamts für Landwirtschaft nun gleichtun.

«Im Projekt Agro4esterie wird das Produktionssystem Agroforst weiterentwickelt und in der Praxis geprüft», schreibt das BLW in einer Medienmitteilung 2021. Primär möchte das Projekt aber die moderne Agroforstwirtschaft in der Westschweiz fördern. 140 Betriebe in den Kantonen Genf, Jura, Neuenburg und Waadt sollen neue Agroforstsysteme anlegen. Das Ressourcenprojekt verfolgt diverse Ziele, unter anderem die Förderung der Biodiversität und der Bodengesundheit. Aber es solle auch zu einem besseren Verständnis der Öffentlichkeit zu Umweltauswirkungen, Kohlenstoffspeicherung, Umsetzbarkeit und Wirtschaftlichkeit von Agroforstsystemen beitragen.

 Feld des Agroforst-Betriebs La Vignettaz im Ortsteil Montherod der Gemeinde Aubonne. © Susanne Goldschmid/BAFU

Feld des Agroforst-Betriebs La Vignettaz im Ortsteil Montherod der Gemeinde Aubonne. © Susanne Goldschmid/BAFU

Das Bundesamt für Landwirtschaft hofft, dass mit Agro4esterie ein Stein ins Rollen gebracht wird – auf einen Agroforst umstellen ist nämlich sehr viel mehr als «nur Bäume pflanzen». Denn würden nur 8,9 % der europäischen Landwirtschaftsfläche zu Agroforstsystemen umgewandelt, so könnten bis zu 43,4 % der Treibhausgasemissionen der europäischen Landwirtschaft kompensiert werden.

Zitate: https://www.youtube.com/watch?v=w2Rt1a30BPg

Quellenangaben: Bauernzeitung.ch, bioaktuell.ch, wikipedia.org, agroforst.ch, agroforst-info.de, humintech.com, Bundesamt für Landwirtschaft BLW.

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