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Die Suche nach der fast perfekten Mischung - Alternativen, die Zukunft bauen

In New York, Hongkong und Buenos Aires wird es besonders deutlich, doch muss man keine Weltmetropole besuchen, um sich von Beton verschlucken zu lassen. Es ist der Weltbaustoff, der Star, die unangefochtene Nummer Eins des Bauwesens, aus diesem nicht mehr wegzudenken und darum nahezu allgegenwärtig. Doch fällt Beton nach heutiger Zusammensetzung in der Klimabilanz negativ auf, was mit einem seiner Bestandteile zusammenhängt: Zement. Doch was ist das eigentlich genau, dieser Zement?

Das schwarze Schaf der Zutatenfamilie

Führen wir uns der Fairness halber auch die unverkennbaren Vorteile des Betons vor Augen: Frisch angerührt ist die graue Masse giessbar, modellierbar, formbar. Einmal an der Luft getrocknet, wird die Mischung steinhart, hochgradig belastbar, brandsicher, also fast unzerstörbar. Seine Vielseitigkeit und weltweite Verfügbarkeit machen ihn zum etablierten und unverzichtbaren Material, vorrangig als architektonischer Baustoff im Einsatz.

Wie Mehl im Kuchenteig fungiert der Ziment als Bindemittel in der Betonrezeptur. Seine Beschaffenheit wird dem Vergleich mit der Backzutat ebenfalls gerecht. Gewonnen wird er, indem man Kalkstein und Ton mahlt, im Drehrohr-Ofen bei 1'450 Grad brennt und den so entstandenen kugelförmigen Klinker erneut zu Pulver verarbeitet. In diesem energieintensiven Verfahren werden auf jede Tonne hergestellten Zement 700 Kilogramm Kohlendioxid freigesetzt. Zwar ist er mit diesem 1:0,7-Verhältnis weniger belastend als Stahl und Aluminium beispielsweise, nur besteht, wie zuvor betont, ein immens hoher Bedarf an Beton. Diesem ist es geschuldet, dass Zement heute der meistverwendete Werkstoff überhaupt ist. Die jährliche Produktion von rund 3 Milliarden Tonnen schlägt sich in einem CO2-Ausstoss von weltweit 7 Prozent nieder, in der Schweiz sind es sogar 9 Prozent. Zum Vergleich: Der globale Luftverkehr verursacht ein Viertel bis ein Drittel des Ganzen.

Sorgfältige Prüfung der Alternativen

Um dem hohen und wachsenden Bedarf an Zement gerecht zu werden, gleichzeitig aber die Emissionen zu senken, gestaltet sich als die Suche nach dem heiligen Gral der Baustoffe. Bei der EMPA, das ist die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt in Thun, befindet sich ein Forscherteam um Frank Winnefeld und Alexander German auf ebendieser Suche und hat schon wertvolle Fährten aufnehmen können. So gibt es beispielsweise diverse Industriezweige mit Sekundärrohstoffen, deren Eigenschaften es zulassen, sie dem Zement beizumischen. Streckmittel sozusagen, welche die Qualität des Zements nicht beeinträchtigen. Nur muss man diese erst ausfindig machen. Forschung gleicht manchmal eben Detektivarbeit. Die Spürnasen bei der EMPA haben beispielsweise schon Flugasche bei der Kohleverbrennung und Rückstände aus Hochöfen bei der Roheisengewinnung als brauchbar identifiziert. «Bei der metallurgischen Rückgewinnung von Edelmetallen aus Elektronikschrott bleibt eine hochwertige Schlacke übrig, die in Pulverform ebenfalls mit Zement vermischt werden kann», erklärt Winnefeld. Auch wenn diese Substitut-Stoffe derzeit noch nicht ausreichen, um das Emissions-Problem des Zements vollständig zu lösen, ist es immerhin ein guter Anfang: Die Zahl der ausgedienten Handys und Computer wächst ohnehin. So hat man zumindest eine Möglichkeit gefunden, sie im Auftrag der Umwelt nach dem «Urban Mining»-Prinzip wiederzuverwerten.

Wasser, Sand, Kies und Zement in Glasschalen
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Wasser, Sand, Kies und Zement ergeben, im richtigen Verhältnis zusammengemischt, Beton.

Alexander German und Frank Winnefeld in einem Labor
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Probieren geht über betonieren: Alexander German (links) und Frank Winnefeld suchen die perfekte Mischung.

Öko-Beton Proben
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Die unzähligen Tests bringen Öko-Beton verschiedenster Erscheinung hervor.

Die lang ersehnte Negativrechnung

Bei der EMPA gibt man sich zuversichtlich. Und Zuversicht ist es, womit man ehrgeizige Ziele in greifbare Nähe holt. Wenn es bloss gelänge, einen nicht nur klimaneutralen, sondern gar CO2-negativen Beton herzustellen, so die Ambition. Wenn sich zum Beispiel die Zusammensetzung des Zements dahingehend abändern liesse, dass der Brennvorgang entfällt. Die gewünschte chemische Reaktion lässt sich nämlich auch durch die Zugabe starker alkalischer Lösungen hervorrufen, wie man mittlerweile weiss.

Als weiteren vielversprechenden Ansatz verfolgt man die Möglichkeit, Kohlendioxid im Beton zu binden, statt es frei werden zu lassen. «Ein CO2-negativer Beton wäre ein wahrer Klimafreund», schwärmt Winnefeld. Gemeinsam mit Alexander German treiben die beiden EMPA-Wissenschaftler Forschungen nach einem Magnesium-basierten Zement mit sogenanntem Olivin als Basis voran. Das Mineral hat seinen Ursprung tief im Erdmantel, kann aber in Regionen mit vulkanischen Aktivitäten gewonnen werden – Island beispielsweise. Besagtes Olivin bringt den Vorteil mit sich, dass es zur Zementherstellung erst mit Kohlenstoffdioxid versetzt und nur ein Teil des Materials gebrannt werden muss. So wird unter dem Strich mehr CO2 gespeichert als freigesetzt. Ein Tresor für Treibhausgas sozusagen. Türe zu und Schlüssel weg.

Der Markt ist hungrig, der Markt ist anspruchsvoll

Auch wenn bereits taugliche alternative Konzepte vorliegen, steht noch ein langer Weg bevor, den klassischen Portland-Zement vom Baustoff-Thron zu stossen. Erst wenn Öko-Beton in den erforderlichen Mengen und bei mindestens ebenbürtiger Leistung angeboten werden kann, wird die Beton-Revolution realistisch. Bis dahin muss noch ausprobiert, analysiert, getestet und untersucht werden, was das Zeug hält. «Industrielle Prozesse müssen noch optimiert werden, da sie in vielen Fällen noch zu teuer sind», so Winnefeld auf der Suche nach der perfekten Mischung. Der Trend zu mehr und mehr klimaneutralen Betonalternative zeichne sich aber bereits jetzt schon ab.

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